Die Menschen hinter dem Projekt
Micha
2005 war der Koch und Hotelfachmann Micha mit seinen 28 Jahren Küchenleiter in einem Hotel. Er führte ein lustiges Gastronomenleben. Also bis 11 Uhr schlafen, fertig machen und dann auf Arbeit. Nach der Arbeit noch mit Kollegen irgendwo hin um dann zwischen 0 und 5 Uhr früh nach Hause zu kommen.
Obwohl es ein schönes Leben war, fragte sich Micha ob es das jetzt war … bis zur Rente irgendwo Küchenleiter sein. Am besten wäre doch ein eigenes Lokal.
Bine
Auf Arbeit lernte er dann Sabine kennen. Sie machte dort eine Ausbildung zur Hotelfachfrau. Beide verliebten sich ineinander. Darf ein Abteilungsleiter eigentlich mit einem Lehrling zusammen sein? Am besten erst mal verheimlichen. Sie redeten oft über ihre Träume und Wünsche. Sabine machte es Angst, dass Michael sie relativ schnell in seine Restaurant-Pläne involvierte. Sie sah das Risiko, aber Michael sagte: „Lass uns ein Restaurant mieten und es versuchen. Wir sind bereits arm. Wenn es nicht klappt, dann können wir immer noch arm sein. Beide arbeiteten also weiterhin im Hotel und informierten sich in ihrer Freizeit über ihre Möglichkeiten der Existenzgründung.
Der Augenöffner
Abends ging Micha nun nicht mehr so oft aus, aber er unterhielt sich gern mit den Geschäftsreisenden bei dem ein oder anderen Feierabendbier. Eines Tages unterhielt er sich mit einem Geschäftsmann und dieser sagte zu ihm: „Wenn du eine Gastronomie errichtest, dann mach es wie McDonalds. Die müssen keinen einzigen Cent mit ihren Burgern verdienen, denn die verdienen an der Immobilie. Der Vergleich der McDonalds-Aktie mit einem Gewerbeimmo-Fond war ein Augenöffner.
Die Entscheidung
Sabine war nicht gerade begeistert, als sie erfuhr, dass nun auch noch ein Immobilienkauf im Raum stand. Mitten in der Finanzkrise. Alle haben Angst und Micha will ein Restaurant-Objekt kaufen.
Wovon denn? Er hatte ja einen unvorstellbar schlechten Schufa-Score. Er konnte also auf keinen Fall eine Immobilie kaufen. Sabine entschloss sich kurzerhand im Fall des Falles allein als Käuferin aufzutreten.
Die Ohnmacht
Über viele Jahre gab es nur Finanzierungsabsagen. Das Gute daran war, dass das Schreiben eines Businessplanes mittlerweile ein Kinderspiel war. Sabine war mittlerweile Reservierungsleiterin in einem Hotel und Michael war Leihkoch. Und nebenbei waren beide hartnäckige Kämpfer gegen die Windmühlenräder der Banken.
Eine echt flache Lernkurve
Es waren sieben Jahre vergangen. Es war 2013. Man kann das Gefühl nur als Ohnmacht bezeichnen, dass Bine und Micha überkam, wenn wieder einmal ein Projekt nicht finanziert wurde.
Beide gingen jedes mal in sich und versuchten zu ergründen was an dem Businessplan nun falsch war. Ein beauftragter Unternehmensberater bestätigte, dass es nicht an dem Plan an sich liegen kann. Die Erkenntnis reifte, dass die Banker immer nur Ausreden suchten um keine Gastronomie finanzieren zu müssen. Dies gilt insbesondere für die Sparkasse und die Volksbank, in deren Satzung ja verankert ist, dass sie die regionalen Gewerbe fördern sollen. Wenn man aber nicht fördern will, sucht man Ausreden.
Ein Lichtblick
Die beiden suchten also nach Objekten, die man der Bank als Vermietungsobjekte vorstellen kann um die Finanzierung zu erhalten und im Nachgang zur Gastronomie umnutzen kann. Sie fanden die Markgrafenmühle, ein ehemaliges Gastronomieobjekt, das vom Staat als Wohn- und Laborgebäude verkauft wurde.
Die Wohnungen in dem Objekt waren so billig vermietet, dass jedes Jahr eine fünfstellige Summe Verlust zu erwarten war. Das kann sich nur der Staat leisten. Daher war das Mindestgebot sehr niedrig.
Ob Bettler oder Kaiser. Wer Respekt zeigt, der ist weiser.
Bei der Besichtigung wurden neben der Gewerbeeinheit auch die Wohnungen besichtigt. Die Mieter waren anwesend. Es war zum Fremdschämen wie sich die Interessenten im Privatbereich der Mieter benommen haben. Nach der Besichtigung kam der eine Mieter auf Micha zu und sagte, „Weil sie die Einzigen waren, die sich uns gegenüber respektvoll verhalten haben, möchte ich Ihnen etwas sagen: „Unsere neue Eigentumswohnung befindet sich bereits im Bau und wir werden spätestens in einem Jahr von selbst ausziehen.“
Diesen Informationsvorsprung nutzten die beiden um ein konkurrenzfähiges Gebot abzugeben. Sie bekamen den Zuschlag, fragten die Finanzierung an und es klappte. Sabine erwarb das Objekt als Wohn- und Bürogebäude, denn das finanzierten die Banken. Eine Gastronomie hätten sie niemals finanziert.
Entmietung mal freundlich
Mit dem Kauf des Objektes beginnt die Geschichte aber erst so richtig Fahrt aufzunehmen. Die einen Mieter zogen, wie versprochen, in ihre Eigentumswohnung. Glück gehabt. Der andere Mieter wollte sich verkleinern, aber seinen Garten, den er auf dem Grundstück hatte, nicht aufgeben. Bine und Micha vermieteten ihm den Garten für einen kleinen Obolus und so war auch die andere Wohnung frei. So wurde innerhalb eines Jahres aus einer defizitären Investition eine sehr lukrative Investition.
Schuldenfrei - YEAH
Da eine Gastronomie geplant war, wurden die Wohnungen als Ferienwohnung betrieben. Das passt ja zusammen. Es kam Eigenkapital in die Kasse. Und das Pensionsgrundstück wurde relativ schnell schuldenfrei gestellt. Man hatte nun also Eigenkapital und ein lastenfreies Grundstück. Eigentlich optimale Voraussetzungen um eine Bankfinanzierung zu erhalten. Eigentlich.
Die beiden schrieben wieder mal einen Businessplan und beantragten bei den verschiedensten Banken ein Darlehen um eine fahrradfreundliche Pension mit Restaurant, Biergarten und Eventbereich zu errichten. Trotz der Lastenfreiheit des Grundstücks, dem vorhandenen Eigenkapital und einem Fördermittelzuschuss konnte sich keine Bank vorstellen dieses Projekt zu begleiten. Zu viel Risiko. Als ob Risiko eingehen nicht das Geschäft von Banken wäre. Jedes Kind weiß doch, dass es keine risikofreie Rendite geben kann.
Der Wahnsinn kann beginnen
Das Spielchen der Banken kannten die beiden ja schon. Privatinvestoren konnten auch nicht gewonnen werden. Also wurde beschlossen das Projekt komplett aus eigener Kraft zu realisieren.
Nach einem Kassensturz war klar. Es ist viel zu wenig Geld vorhanden um das gesamte Projekt zu finanzieren. Und das Schlimmste war, dass auch zu wenig Geld da war um wenigstens die Pensionszimmer fertig zu stellen. Was soll´s!!!!! Erst mal beginnen und dann weitersehen. Da sind wir, der Wahnsinn kann beginnen.
Reich mir die Flosse, Genosse
Da die beiden Gründer die Hochrisikobranche kannten, war es undenkbar, dass man die Unternehmung als Privatperson beginnt. Das wäre tödlich. Man stelle sich vor, irgendein Kellner bucht eine Speise nicht, die ein Steuerprüfer bestellt hat. Dann könnte das Finanzamt die ganze Buchhaltung von Jahren verwerfen, Umsätze schätzen und so die Existenz der Gründer ruinieren. Es gibt genug solche Fälle in dieser Branche. Also musste eine Firma her. Die beiden entschieden sich für die Rechtsform der Genossenschaft, da so auch die Mitarbeiter an den Entscheidungen und den Gewinnen beteiligt werden können. Ein bisschen Sozialromantiker sind sie eben auch.
Ein Unterstützer in der Not
Wir haben zum Glück (nach einigen Nieten) den besten Architekten gefunden, den wir uns denken können. Er hat sich dieses Projekt angesehen und wir haben uns auf eine wirklich lächerliche Gegenleistung geeinigt, weil er das sah, was wir sahen. Es gibt noch Idealisten auf der Welt. Vielen Dank Torsten, ohne dich wäre es niemals möglich gewesen.
Die Umbauhelfer
Es wurden Mitarbeiter eingestellt um den Abriss und den Wiederaufbau zu bewerkstelligen. Zum Glück gab es dafür etwas Fördermittel vom Staat. Das nennt man das Glück des Tüchtigen.
Und die Arbeiter legten richtig los. Ganz besonderer Dank geht an dieser Stelle an Tommy, Derk und Sven. Das war einfach super von euch.
Der Nachbar Henry hat sich bereit erklärt ein altes Buffet von Michas Opa für den Frühstücksraum aufzuarbeiten. Auch dafür vielen Dank.
Die Handwerker die mit Rat und Tat zur Seite standen haben ihre Forderungen gestundet bis die Zimmer errichtet waren und darüber hinaus. Ein Riesen-Dank geht an Roger, Martin, Kurt, die Firma Ohnholz und alle anderen für euer Vertrauen in uns und eure Geduld bei unseren Zahlungen.
Hazard
Der Umbau war in vollem Gange. Immer wieder wurde neue Ware benötigt und bestellt. Und das Finanzpolster schmolz dahin. Das meiste Geld, wurde bei einem Hauptlieferanten ausgegeben, der BHG. Die BHG hat echt eine tolle, fachlich sehr gute Beratung und immer prompte Lieferung. Kann man nur empfehlen.
Ihr erinnert euch, es war viel, viel, viel, viel zu wenig Geld da um die Zimmer fertig zu stellen. Und unfertige Zimmer verdienen kein Geld. Die Zimmer mussten also ohne Geld fertig gestellt werden. Wie macht man das denn?
Da bei der BHG immer pünktlich bezahlt wurde, konnte die Genossenschaft dort sehr bald auf Rechnung bestellen. Das wurde dann auch gemacht als das Geld alle war. Es wurde einfach alles auf einmal bestellt, was nötig war um die Zimmer fertig zu stellen. Und die BHG hat alles geliefert. Aber bezahlen konnte man die Rechnung in der gesetzten Frist natürlich nicht. Das war eine sehr unlautere und vor allem vorsätzliche Aktion, aber in der Absicht es zu abzuzahlen. War es kalkuliertes Risiko, oder war es Wahnsinn? Es war einfach nötig um den Traum am Leben zu erhalten.
Ohne Moos viel los
Als die BHG merkte, dass nicht gezahlt werden konnte, mahnte sie und die Genossenschaft schlug eine Ratenzahlung vor. Die BHG lehnte ab.
Was nun? Die Insolvenz drohte. Eine sehr hohe fünfstellige Summe war bei der BHG offen und sogar bei Amazon waren 7000,- Eur Schulden gemacht worden. Die Nerven lagen blank. Und trotzdem wurde immer wie mit Scheuklappen weitergearbeitet um die Zimmer fertigzustellen und endlich Geld einzunehmen.
Die BHG gab die Forderung an ein Inkassounternehmen und mit diesem konnte dann schlussendlich eine recht hohe Ratenzahlung vereinbart werden. Wenn immer pünktlich bezahlt wird kommt es zu keinem Eintrag bei der Schufa.
Alles gut??
Die offenen Forderungen wurden mitlerweile alle bezahlt. Die Zimmer wurden fertig gestellt. Es lief geschäftlich und finanziell wieder rund.
Privat hat diese Achterbahnfahrt aber tiefe Narben bei den beiden Gründern hinterlassen. Kurz gesagt: Micha und Bine haben 2023 beschlossen privat eigene Wege zu gehen, aber geschäftlich weiter an einem Strang zu ziehen. Denn geschäftlich sind sie ein unschlagbares Team.
Beide Gründer sind durch die harten Entscheidungen, die sie treffen mussten, zu anderen Menschen herangereift. Trotz der Trennung erinnern sie sich gern an die wunderbaren Zeiten, die sie erlebt haben und an die Erfolge, die sie gefeiert haben. Sie sind nicht im Streit auseinander gegangen und weiterhin freundschaftlich verbunden. Aus ihrer Beziehung sind zwei wundervolle Söhne und dieses Projekt hervorgegangen. Darauf dürfen Sie zu recht stolz sein.
Wie Roland Kaiser so schön singt: „Ein Ende kann ein neuer Anfang sein“.
Der Genossenschaftsgedanke
Die Auflösung der familiären Bande in der Führung der Genossenschaft führte dazu, dass der genossenschaftliche Gedanke noch mehr als zuvor in den Fokus rückte.
Die Genossenschaft braucht Mitarbeiter. Diese Mitarbeiter sollen die gleichen Rechte und Pflichten, und auch die gleiche Rendite wie die Gründer bekommen.
Die Unternehmenskultur fordert Mitarbeiter, die im Sinne der Genossenschaft denken und handeln. Im Gegenzug soll die Genossenschaft im Sinne der Mitarbeiter geführt werden.
Ein romantisch anmutendes Konzept, dass aber durch die gut formulierte Satzung sehr gut funktioniert.
Mitarbeiter sind das Kapital
Nun wird erst mal das Finanzpolster wieder etwas aufgefüllt und dann geht es an die Eröffnung der Gastronomie.
Es soll noch viel viel mehr Menschen die Möglichkeit geben werden sich einzubringen und in einem demokratischen Unternehmen mitzuwirken und von diesem Projekt zu profitieren.
Daher wurde im Januar 2024 die Markgrafenmühle Gastro eG neu gegründet. Und die Mitglieder konnen nun mitbestimmen und werden am Gewinn beteiligt. Lies hier mehr darüber
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To be continued